Die Sehnsucht nach Liebe – und die Angst, sie zuzulassen
Fühlst Du Dich manchmal einsam, obwohl Dein Handy ständig piepst? Kennst Du das Gefühl, dass echte Nähe irgendwie schwer zu greifen ist – als wäre da eine unsichtbare Wand? Wir leben in einer Welt voller Möglichkeiten, uns zu vernetzen, zu chatten, Dates zu haben. Und trotzdem bleiben viele von uns mit einer tiefen Sehnsucht zurück: der Wunsch, wirklich gesehen zu werden. Wirklich geliebt zu werden.
Warum gelingt es oft nicht? Warum spüren wir mehr Angst als Vertrauen, wenn wir uns öffnen? Warum wirkt Liebe so zerbrechlich, obwohl wir sie wie Luft zum Atmen brauchen?
Dieser Blogartikel ist keine Diagnose – sondern eine Einladung: Schau mit mir hinter die Kulissen der Liebe, dahin, wo sie wirklich beginnt. Dort, wo sich vielleicht auch Deine Geschichte, Deine Prägungen, Deine Bindungsangst und Deine Sehnsucht begegnen. Und entdecke, dass es Wege gibt, trotz allem wieder zu lieben – Dich selbst und andere.
Was bedeutet Liebe – jenseits von Kitsch, Klischee und Kindheitswunden?
Philosophen, Neurobiologen und Dichter haben es versucht: Liebe zu definieren. Aber Liebe ist mehr als ein Gefühl. Sie ist Handlung, Bindung, Entscheidung. Ein Zusammenspiel von Biologie, Biografie und Beziehung. Sie hat viele Facetten, die uns helfen zu verstehen, was wir wirklich meinen, wenn wir „Liebe“ sagen. Beispielsweise gibt es in der griechischen Sprache drei Worte, die die verschiedenen Arten von Liebe beschreiben – und alle sind wichtig, wenn wir eine Beziehung wirklich lebendig und erfüllend gestalten wollen.
- Eros – das ist die leidenschaftliche, körperliche Anziehung. Das Gefühl, das uns ein Kribbeln im Bauch gibt, das Verlangen, den anderen zu berühren, Nähe zu spüren. Diese Anziehung ist oft der Startpunkt, wenn zwei Menschen sich begegnen. Doch allein auf Eros zu setzen, reicht selten aus, um eine Beziehung langfristig zu tragen. Denn wenn es nur das Körperliche ist, kann das schnell austrocknen oder oberflächlich bleiben.
- Philia – Philia ist freundschaftliche Liebe und geistige Verbindung. Der Partner wird zum besten Freund, mit dem wir lachen, reden und die Welt entdecken. Wir öffnen uns ihm und vertrauen. Fehlt diese Ebene, fühlen wir uns oft einsam – auch wenn der andere da ist.
- Agape – die partnerschaftliche Liebe, bedingungslos und selbstlos, die tiefe Herzensverbindung. Die Art von Liebe, die bleibt, auch wenn es schwierig wird. Die uns trägt, wenn wir uns verletzlich zeigen. Agape ist oft die schwierigste Form der Liebe, denn sie verlangt Mut und Offenheit – aber sie ist auch die nährendste und stabilste.
Wenn wir Partner miteinander beobachten, die scheinbar alles teilen, aber dann merken, dass ein Element fehlt, wird deutlich: Liebe braucht alle drei Formen, damit sie wachsen kann.
Ein kurzer interkultureller Blick auf die Liebe und Verbindung:
Wie faszinierend: Auch in anderen philosophischen Traditionen finden wir ein Dreiklangs-Prinzip, das an Eros, Philia und Agape erinnert – etwa in der indischen Philosophie. Dort ist häufig die Rede von drei zentralen Kraftzentren im Menschen: dem Bauch, dem Herz und dem Kopf.
Diese Bereiche stehen nicht nur für körperliche, emotionale und geistige Dimensionen, sondern werden auch energetisch verstanden – etwa im Zusammenhang mit den Chakren: Das Sakralchakra (im Beckenraum) steht für Sinnlichkeit, Kreativität und Lebenslust – es korrespondiert mit dem Eros. Das Herzchakra symbolisiert Mitgefühl, Verbindung und Liebe – ganz im Sinne von Agape. Das Stirn- oder Kronenchakra (im Kopfbereich) steht für Erkenntnis, Weisheit und geistige Klarheit – vergleichbar mit Philia, der freundschaftlich-geistigen Verbindung.
Auch wenn die Modelle aus unterschiedlichen kulturellen und spirituellen Kontexten stammen, zeigen sie: Liebe ist mehrdimensional. Sie betrifft Körper, Herz und Geist – und entfaltet ihre ganze Kraft, wenn alle Ebenen verbunden sind.
Warum wir in Beziehungen bleiben obwohl Sie uns nicht gut
Vielleicht kennst Du das Gefühl: Hier wächst nichts mehr, die Liebe ist nicht mehr wie früher. Und doch bleiben wir. Warum?
Weil wir Menschen sind und nicht nur Liebende — wir sind auch verletzte Kinder, geprägt von Erfahrungen, die uns manchmal fesseln. Vielleicht hast Du es selbst erlebt – Du gibst so viel, Du wartest auf den Blick, das Wort, die Geste, die sagt „Ich sehe Dich“. Aber das bleibt aus. Und trotzdem klammern wir oder halten fest – aus Angst vor dem Alleinsein, aus Hoffnung, dass es doch noch wird, oder aus einem tiefen Glauben, dass Liebe eben Geduld braucht.
Es gibt zahlreiche Postings, die uns suggerieren: Dein Partner ist nur Dein Spiegel, arbeite an Dir, sei geduldig, sei spirituell, wachse über Dich hinaus – dann wird alles gut. Doch was, wenn genau dieses „über sich hinauswachsen“ zu einer Falle wird? Zu einem toxischen Verständnis, das uns glauben lässt, wir müssten alles ertragen, nur um ja nicht zu scheitern oder damit der Partner doch noch irgendwann einmal sein „Potenzial“ entfaltet?
Selbstoptimierung ist wichtig – aber nicht um jeden Preis. Verlier nicht deine Grenzen und vergiss dich nicht selbst. Liebe heißt nicht, sich zu verbiegen, sondern ehrlich zu sich zu sein. Wer möchtest Du in dieser Beziehung wirklich sein? Was brauchst Du, damit Dein Herz in Deinem Tempo öffnen kann?
Frust und Schmerz kommen oft daher, dass wir uns zwar verbunden fühlen wollen, aber nicht wirklich gesehen werden. Dass wir unsere Bedürfnisse nicht aussprechen oder nicht gehört werden. Und genau hier beginnt eine wichtige Frage: Wie können wir liebevoll mit uns und dem anderen sein – ohne uns selbst aufzugeben?
Deine frühesten Erfahrungen bestimmen, wie Du heute Liebe und Beziehungen lebst
Liebe entsteht früh, sehr früh, oft noch bevor wir Worte dafür haben. Schon als Säugling fühlen wir, ob wir willkommen sind, ob wir gesehen werden, ob jemand bleibt. Unsere ersten Erfahrungen mit Nähe, mit Bindung, mit Verlässlichkeit prägen zutiefst, wie wir später lieben.
Und auch wenn ein Kind gewünscht war – manchmal stehen äußere Umstände, Überforderung oder emotionale Abwesenheit im Raum. Wenn ein Kind nicht ausreichend gespiegelt, berührt oder gehalten wird, können Wunden entstehen. Nicht immer sichtbar, aber in der Tiefe spürbar. Diese frühen Erfahrungen formen unsere Liebesfähigkeit, unseren Selbstwert – und oft auch unsere Partnerwahl. Denn das, was wir als vertraut erlebt haben, leben wir oft unbewusst weiter – selbst wenn es uns schadet.
Manche von uns spüren: Nähe ist bedrohlich. Sie ziehen sich zurück, wenn es zu eng wird. Andere klammern, aus Angst, wieder verlassen zu werden. Wieder andere verlieren sich selbst in der Beziehung, weil sie nie gelernt haben, dass sie mit ihren eigenen Bedürfnissen willkommen sind. Nicht weil sie unfähig sind zu lieben – sondern weil sie über Jahre hinweg Schutzstrategien entwickelt haben, um emotional zu überleben.
Diese Muster sind keine Schwächen, sondern Ausdruck einer Geschichte. Sie sind nicht nur individuell – oft werden sie über Generationen weitergegeben. Das nennen wir transgenerationale Überlieferung: Wenn Traumata, Kränkungen, überholte Rollenbilder oder ungelebte Sehnsüchte – ohne Worte, aber mit großer Wirkung – von einer Generation zur nächsten fließen.
Es gibt Frauen, die gelernt haben, hart zu sein, weil ihre Mütter ihnen vorgelebt haben: „Verlass Dich auf niemanden.“ Und es gibt Väter, die emotional abwesend waren, weil sie selbst nie Nähe erfahren haben – und deren Töchter dann Partner wählen, die sie nicht wirklich sehen. So wiederholen sich Geschichten – nicht, weil wir das wollen, sondern weil sie in uns weiterleben, bis wir sie anschauen.
Diese transgenerationalen Muster betreffen uns alle – ganz gleich, wie modern, spirituell oder reflektiert wir sind. Es ist ein stilles Erbe, das oft erst spürbar wird, wenn wir anfangen zu lieben – oder zu scheitern.
Es lohnt sich, hier hinzuschauen. Nicht um Schuld zuzuweisen, sondern um zu verstehen – ein Angebot zur Selbstreflexion: Wenn wir verstehen, woher unsere Beziehungsmuster kommen, können wir beginnen, sie zu verändern. Denn wahre Liebe beginnt mit der eigenen Verbundenheit – mit dem Annehmen und Heilen unserer eigenen Geschichte. Das ist notwendig, damit wir die Vergangenheit nicht in der Gegenwart leben.
Normopathie – warum wir die Verbundenheit neu entdecken müssen
Ich möchte hier auch die gesellschaftliche Entwicklung nicht außer Acht lassen. Das, was wir individuell erleben, spiegelt sich auf einer globalen Ebene wider. Viele Menschen sehnen sich nach klassischer Verbundenheit, nach echter Nähe und Liebe – und doch leben sie oft etwas ganz anderes. Eine Geschichte, die uns von außen erzählt wird: „Du schaffst das allein. Du brauchst niemanden.“
Ich zweifle daran. Denn wir sind keine Einzelkämpfer, wir sind soziale Wesen – und genau diese Verbundenheit mit anderen hat uns erst zu dem gemacht, was wir sind. Ohne „den anderen“ wäre unser Gehirn nie so komplex geworden, und unser Überleben wäre gefährdet gewesen.
Dennoch leben wir heute in einer Gesellschaft, die uns materielle Werte höher verkaufen will als die Liebe. Es ist, als hätte sich die Wertehierarchie verschoben – Liebe steht nicht mehr an erster Stelle. Ein Ehepaar bekommt Kinder, doch beide müssen 100 % arbeiten, und dabei bleibt die Liebe auf der Strecke.
Auf den sozialen Netzwerken sehen wir „Wonder Womens“: Frauen, die Kinder großziehen, Haustiere managen, eine verantwortungsvolle Rolle ausüben und dabei noch eine Top-Figur haben. Dieses Bild suggeriert, dass es funktionieren muss – doch in Wahrheit ist es oft eine unerreichbare Illusion. Die Belastung ist riesig, und die Liebe, die dabei zurückbleibt, wird kaum sichtbar.
Ich stimme Hans-Joachim Maaz zu, einem deutschen Psychoanalytiker, der den Begriff „Normopathie“ geprägt hat. Das heißt: Wir passen uns einer „kranken“ Gesellschaft an, obwohl sie uns krank macht. Wir funktionieren nur und glauben, es sei normal – bis wir merken: ‚Hoppala, da läuft was schief“.
Lieben können wir alle!
Liebe ist mehr als ein Gefühl – sie ist eine Praxis. Ein tägliches Einlassen. Und manchmal auch ein Ringen. Viele Menschen fragen sich im Stillen: Kann ich überhaupt lieben? Bin ich überhaupt fähig, mich zu öffnen – nach all dem, was ich erlebt habe? Nach der Enttäuschung, dem Verlust, der Kälte?
Wenn Du Dich in dieser Frage wiedererkennst, bist Du nicht allein. Manche Menschen erleben sich als hart, kontrolliert oder unberührbar. Andere wollen lieben – sehnen sich danach – aber sobald echte Nähe entsteht, bricht Panik aus. Vielleicht hast Du es schon öfter versucht, bist immer wieder in alte Muster gefallen und hast nun Angst vor der Liebe selbst.
Was viele nicht wissen: Unsere Fähigkeit zu lieben ist kein angeborenes Talent – sie ist erlernt. Unser Nervensystem speichert, was wir in unseren ersten Bindungen erlebt haben: Sicherheit oder Instabilität. Wärme oder emotionale Abwesenheit. Wer früh gelernt hat, dass Nähe gefährlich ist, reagiert auf Liebe mit Schutzmechanismen – Rückzug, Kontrolle oder emotionale Distanz. Was kalt wirkt, ist oft nur eine Überlebensstrategie.
Aber das bedeutet nicht, dass Du nicht lieben kannst. Es bedeutet, dass Dein System bisher keinen sicheren Raum gefunden hat, in dem es sich öffnen durfte.
Heilung beginnt nicht damit, dass Du Dich für andere veränderst, sondern dass Du Dich selbst ernst nimmst. Deine Geschichte, Deinen Schmerz, Deine Muster. Dass Du erkennst: Ich bin nicht falsch. Ich bin vorsichtig, weil mein Herz früh lernen musste, sich zu schützen.
Liebe braucht Sicherheit, keine Selbstaufgabe. Keine ständige Anpassung. Sie braucht Mut – und Geduld. Auch Freundschaften, Beziehungen, Nähe wachsen nur dort, wo Vertrauen langsam entstehen darf. Schritt für Schritt.
Und manchmal heißt das: sich Hilfe zu holen. Coaching, Therapie, ein Gespräch, das Türen öffnet. Denn Du musst das nicht allein schaffen.
Wenn Du erkennst, welche Muster Dich begleiten – welche Glaubenssätze, welche Ängste, welche Beziehungstypen – kannst Du beginnen, Dich selbst wieder als liebenswert zu erfahren. Das ist der Moment, in dem sich etwas verändert: Nicht perfekt, aber echt. Nicht laut, aber wahrhaftig.
Vielleicht ist jetzt genau der Moment, Dich zu fragen:
– Wie sieht Deine Liebe heute aus?
– Welche Form von Liebe fehlt Dir vielleicht – in Beziehungen, in der Freundschaft, in Dir selbst?
– Was möchtest Du loslassen, um neue Nähe zuzulassen?
Auch ich kenne diese Fragen. Ich habe erfahren, wie schwer es ist, Vertrauen aufzubauen, wenn die alten Geschichten noch in einem leben. Aber ich habe auch erlebt: Es ist möglich, neu zu lernen. Nicht perfekt zu lieben, sondern echt. Nicht sofort alles zu heilen, aber Schritt für Schritt einen Raum in sich zu schaffen, in dem Liebe wieder Platz hat. Die eigenen Grenzen und Bedürfnisse in einem liebenden Umfeld leben zu dürfen, um authentisch und wahrhaftig gesehen zu werden.
Wenn dich dieses Thema anspricht und du tiefer einsteigen möchtest, freue ich mich, von dir zu hören – vielleicht in einem persönlichen Gespräch oder über deine Gedanken zum Artikel.